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Gedanken zum Sterben, zum Leiden und zum Leben

Fachartikel zum Thema Gedanken zum Sterben, zum Leiden und zum Leben

Heute kam eine Patientin zu mir, die - mit ihren fast 60 Jahren - sozusagen aus allen Löchern pfiff, weil sie eine schwere Raucherbronchitis hat. Der Internist empfahl dringend, sie müsse das Rauchen aufgeben und ich hatte nun die Aufgabe, ihr das zu vermitteln. Ich versuchte wegen der Dringlichkeit und der schlechten Lungenfunktionswerte, sie zu diesem Schritt zu motivieren. Ihre erste Reaktion war, mit mir über die Harmlosigkeit des Rauchens zu diskutieren. Es sei ihr auch nicht besser gegangen, als sie mal eine Weile zu rauchen aufgehört habe. Mein Einwand, dass eine chronische Dauerschädigung zu einer zunehmenden Verschlimmerung führt, die dann auch nicht mehr rückgängig zu machen ist, half nichts. Also griff ich zu drastischeren Beispielen und fragte sie, ob sie mit einem doppelt so dicken Hals und Kopf am Sauerstoffgerät hängend ihren Lebensabend beenden wolle. Da lächelte sie mich an, als wollte sie mir sagen, dass ich gar nichts vom Leben verstehe. „Wissen Sie, die Jahre, die ich noch zu leben habe, will ich das leben genießen. Ich werde weiterrauchen. Und meinen Tod stelle ich mir in einem Liegestuhl am Meer vor. Ich betrachte die untergehende Sonne mit einem Glas Rotwein in der Hand und verabschiede mich vom Leben.“ Auf meinen Hinweis, dass es meist nicht wunschgemäß abläuft mit dem Sterben sagte sie:“ Da kann man dann auch nachhelfen.“
Ich beschäftige mich jetzt seit über 30 Jahren fast ausschließlich mit medizinischen Themen und menschlichen Fragen. Völlig ohne medizinische Literatur in den Urlaub zu fahren, gelang mir bisher selten. Zu vieles beschäftigt mich. Seit über 20 Jahren bin ich als Ärztin tätig und noch immer habe ich den Menschen auch nur annähernd verstanden. Inzwischen kann ich akzeptieren, dass der Mensch in Prioritäten-Skalen denkt, das sichert ihm ja wohl sein Überleben, z.B. Nagelbettentzündung- sehr schmerzhaft- was tun?-diese tritt völlig in den Hintergrund, wenn der Jobverlust droht- der wiederum ist völlige Nebensache, wenn eine Nierenkolik auftritt und selbst diese drängt sich in den Hintergrund, wenn man in einem Flugzeug sitzt, das entführt wird und man eine Waffe vor seiner Nase sieht. Dasselbe gilt natürlich auch in umgekehrter Richtung. Wenn die Entführung glimpflich ablief, der Stein sich gelöst hat, man die Arbeitslosigkeit gerade genießen kann, weil man in 2 Monaten eine neue Stelle antritt, kehrt der Gedanke an das Nagelbett zurück, das nun wieder unsere volle Aufmerksamkeit hat.
Und dann ist da die Sache mit der Selbsterfahrung. Sie wissen es sicher von ihren Kindern. Sie können ihre Kinder hundertmal vor einem Fehler warnen. Sie wollen ihre Erfahrungen selbst machen. Auch nicht viel anders ist es bei den Erwachsenen. Sie wissen oft erstaunlich gut über ihre Krankheit und die Empfehlungen Bescheid und suchen dennoch oft selbst „ihre“ Wahrheit. Ich will absolut nicht behaupten, dass die medizinische Forschung und Therapie immer Patentrezepte auf Lager hat. Manchmal ist tatsächlich der sachliche Menschenverstand der beste Ratgeber. Aber anzunehmen, dass so viel medizinisches Wissen und Erfahrung, auf die wir heute zurückgreifen können, nur Unsinn sind, ist doch genauso überheblich. Und die Vorstellung, dass wir das Leben schmerzfrei wie in einem Lustspiel verbringen, werfen wir doch normalerweise nach dem ersten echten Liebeskummer über Bord. Wenn wir nur ab und zu in eine Tageszeitung schauen, wissen wir auch, dass der Tod selten sanft und auf leisen Sohlen uns umarmend mitnimmt. Wir alle kennen das Abschiednehmen auf die eine oder andere Art und wissen, wie schwer die letzten Minuten sind. In guter Freund verlässt uns und zieht weit weg. Wir denken schon Wochen und Tage immer daran und fürchten die Stunde X. Am besagten Tag gehen wir noch zusammen essen, es funktioniert besser als wir gedacht hatten. Wir stehen über den Dingen. Auf dem Bahnhof wird uns langsam mulmig. Da legt sich so ein schwerer Stein auf unsere Brust und ein Band schnürt unseren Magen plötzlich zusammen. Unser Blick zieht ins Leere und ist trauerverhangen. Der Zug fährt ein, ein paar letzte Worte, eine Umarmung, ein Kuss, ein tapferes lächeln, dann stehen wir da mit dem Abschiedsschmerz und sind mittendrin im Kummer.
Was das Leben auch immer für einen Sinn hat - wie wir auch darüber denken - wir können gar keine Erfahrung an Schmerz, an Leid, an Leiden, an Tod vorwegnehmen. Erst in der Situation erfahren wir, wie es ist. Wir können mit Vernunft und Bemühung versuchen, Schmerz und Krankheit abzuhalten. Eine Gewähr kann uns niemand geben. Ir können ein rauchfreies Leben führen und an Lungenkrebs sterben. Dann geht es uns vielleicht gefühlsmäßig wie einem Schüler, der sich bestens auf eine Prüfung vorbereitet und aus einem Tagestief heraus dennoch versagt. Dennoch bleibt die Chance, nicht zu versagen, deutlich höher, wenn wir uns auf eine Prüfung gründlich vorbereiten. So blauäugig können wir nicht sein zu denken, die guten Resultate würden uns einfach in den Schoß gelegt. Wir Menschen können uns nur bemühen, alles uns Mögliche zu tun, was das Leid verringert und wir können uns nur gegenseitig helfen, dem Leben möglichst viele guten Stunden abzugewinnen, solange wir da sind und damit das leid auf dieser Welt und das Sterben tragbarer machen.

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