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Hypophysenadenom

12.10.2017:

Erfahrungsbericht zum Thema Hypophysenadenom

Link zum Fachartikel Hypophysenadenom

Hallo liebe Leidensgenossen,

ich habe Einiges hinter mir und möchte meine Erfahrungen mit euch teilen – nicht, um zu jammern, sondern um andere, die eine Hypophysenoperation vielleicht noch vor sich haben, entsprechend vorzubereiten. Ich möchte keinesfalls davon abraten, denn zumindest im Falle von Morbus Cushing ist diese wohl weiterhin die Therapie erster Wahl. Jedoch rate ich allen dringend, sich vorher selbst so schlau wie möglich zu machen (z.B. auf Seiten wie dieser) und sich nicht blind in die Hände von Ärzten zu begeben. Denn wenn man hier auch einen anderen Eindruck gewinnen mag: Diese Art von Erkrankungen ist nach wie vor sehr selten, viele Ärzte haben wenig Ahnung davon; und das Zusammenspiel der Hormone ist ja auch wirklich eine hochkomplizierte Materie!

Ich werde mich bemühen, meinen Bericht halbwegs im Rahmen zu belassen und zum Schluss dem Biowellmed-Team noch ein paar Fragen zu meinem derzeitigen Status stellen.

Ich bin männlich, 49 Jahre alt und war bis Anfang 2015 im Großen und Ganzen immer recht gesund. So traf es mich recht unvorbereitet, als mir plötzlich durch ein Hebetrauma der 1. Lendenwirbel brach und ich in der Unfallklinik die Diagnose „Osteoporose“ bekam. Ein Endokrinologe leitete eine erste Therapie mit Vitamin D und Risedronsäure ein und suchte mit großem Blutbild nach einer möglichen Primärerkrankung. Dem erhöhten ACTH maß er zunächst keine große Bedeutung bei (ich hatte zu der Zeit ja viel „Stress“), meinte aber, das müsse man „im Verlauf“ noch einmal kontrollieren. Ich hatte wenig Geduld und ließ meinen Hausarzt gleich wenige Wochen später im Rahmen des turnusmäßigen Checkups einen Test vornehmen – der meinte übrigens auf meine direkte Frage nach Morbus Cushing (inzwischen hatte ich natürlich viel gelesen): „Nein, wenn Sie Morbus Cushing hätten, würden Sie auch wie ein Cushing AUSSEHEN.“

Tja, nicht jeder Fall ist eben wie im Bilderbuch: Als das ACTH wieder sehr hoch war, machte der Endokrinologe zwei Dexamethason-Tests, die tatsächlich einen „zentralen Cushing“ vermuten ließen. Allerdings verlief ein Kopf-MRT ergebnislos, und es gab weitere Tests (CRH-Test, Sammelurin etc.), die aber weiterhin darauf hinwiesen – der berühmte Prof. Petersenn in Hamburg hielt auf kollegiale Nachfrage anhand der Laborergebnisse sogar eine Indikation zur Hypophysenoperation trotz fehlender Bildgebung für gegeben, aber ohne klaren Beweis wollte ich mir nicht im Kopf herumschneiden lassen. Jetzt hatte ich allerdings Angst vor einer bösartigen Ursache. Kurz vor Weihnachten 2015 bekam ich über Beziehungen die Möglichkeit zu einem zweiten MRT, und diesmal erhielt ich Klarheit: ein ca. 4 mm großes Hypophysenadenom.

Der Chefarzt dort in der Neuroradiologie hatte sein Handwerk offenbar bestens verstanden und schien sich auch mit Cushing auszukennen. Er beruhigte mich im Hinblick auf die nötige Operation: So etwas sei heute „ein Routineeingriff“, normalerweise könne man nach zwei Wochen sogar wieder arbeiten, und man müsse auch nicht sonstwohin fahren, um sie machen zu lassen. Er empfahl mir wärmstens die Neurochirurgie einer nahegelegenen Klinik, bei deren Chefarzt ich „in den besten Händen“ sei; und weil das Ganze nicht so ein „Massenbetrieb“ wie z.B. die hiesige Uniklinik sei, würde man sich dort vielleicht bei der Nachsorge auch mehr Mühe geben.

Trotz der klaren Empfehlung wollte ich noch einen persönlichen Eindruck gewinnen. Das Gespräch mit dem empfohlenen Chefarzt im Januar 2016 überzeugte mich. Er gab zwar zu, dass man an seiner Klinik weit entfernt sei von den 50 Hypophysen-OPs im Jahr (danach zu fragen, hatte mir mein Endokrinologe geraten); man sei aber technisch optimal dafür gerüstet, führe diese Art Operation auch immer wieder mal durch, und nicht zuletzt beschrieb er mir diese mitsamt möglicher Risiken so genau, dass ich den Eindruck gewann: Hier bist du richtig.

Die OP selbst, zunächst für Ende Februar geplant, verschob sich immer wieder. Zweimal war ich selbst erkältet (Morbus Cushing führt bekanntlich zu einer erhöhten Infektanfälligkeit), mal war das Röntgengerät kaputt, mal der Chefarzt im Urlaub, mal kamen dringendere Fälle dazwischen. Am Montag, den 6. Juni aber war es so weit.
Als ich aufwachte, war ich ziemlich fertig und erfuhr gleich vom Oberarzt, dass es nicht optimal gelaufen war: man glaube zwar, das Adenom vollständig entfernt zu haben, allerdings habe sich dieses vom gesunden Hypophysengewebe nicht recht unterscheiden lassen. Bei dem dadurch nötigen „mutigen“ Schnitt war dann Nervenwasser ausgetreten (kommt in 4 % der Fälle vor), weswegen man mir auch eine Lumbaldrainage gelegt hatte. Nun ja.

Ich blieb eine Nacht länger als vorgesehen auf der Intensivstation, weil ich ungeheuer viel Wasser ließ und man das überwachen wollte. Das beruhigte sich aber wieder, und auf der normalen Station wurde ich nach und nach alle Anhängsel los: Blasenkatheter, Nasentamponade, am Freitag auch die Lumbaldrainage und den Perfusor für das Hydrocortison.

Ach ja, das Cortison. Mein Endokrinologe hatte auf meine Nachfrage gemeint, man würde mir nach der OP zunächst mindestens 100 mg Hydrocortison täglich geben, um den plötzlichen Abfall des körpereigenen Cortisols auszugleichen. Eine gute Tagesdosis, mit der man „später aufhören“ würde, wäre bei meiner Größe 30 mg. Ob die in der Klinik das wüssten? „Ja, das wissen die, Neurochirurgen sind halbe Endokrinologen!“ Von wegen!

Als ich am Wochenende eine halbe Tablette neben meinem Abendessen fand, erkundigte ich mich nach meiner aktuellen Tagesdosis: 15 mg! Nun ja, dachte ich, die werden schon wissen, was sie tun, zumal es mir täglich besser ging und ich am Sonntag schon mit einem Freund ins Klinik-Café spaziert war.

Am Montag, genau eine Woche nach der OP, ging es mir plötzlich sehr schlecht: Ich war völlig schlapp und appetitlos, gerade so, als habe man mir den Stecker herausgezogen. Nun ja, hieß es, der ganze Hormonhaushalt müsse sich erst mal wieder einpendeln. Am nächsten Tag war es jedoch eher noch schlimmer: Nach Aussage meiner Frau war ich am Telefon regelrecht apathisch, und dann fiel ich im Bad völlig unvermittelt in Ohnmacht, die böse hätte enden können, wäre ich irgendwo aufgeschlagen und hätte mein Zimmernachbar es nicht mitbekommen! Natürlich gab es lange Gesichter bei den Ärzten, und ich fragte direkt nach, ob das nicht an zu wenig Hydrocortison liegen könne. Man wollte darüber nachdenken, und tatsächlich bekam ich am nächsten Tag dann 10 mg mehr. Ich fühlte mich jedoch weiterhin schlecht, was „auch am Wetter liegen“ könne. Am Donnerstag kollabierte ich zum zweiten Mal, und diesmal waren die Schwestern so schnell zur Stelle, dass sie einen „Krampfanfall“ bezeugen konnten. Um eine Hirnblutung auszuschließen, machte man CT und EEG, die aber unauffällig waren. Laut Labor war „das Natrium der Übeltäter“. Dann wurde ich noch einmal für drei Tage auf die Intensivstation verlegt, wo man, wie ich den Eindruck hatte, etwas herumexperimentierte – man gab mir in der ersten Nacht Minirin (weil man wohl einen Diabetes Insipidus vermutete), reduzierte meine Trinkmenge auf 1000 ml, vor allem aber bekam ich anscheinend endlich wieder Hydrocortison: 100 mg täglich, und dabei blieb es auch bis zu meiner Entlassung am 22.6. Das Wort „Addison-Krise“ hatte mir gegenüber bis dahin übrigens kein Mensch in den Mund genommen – heute ist aber klar, dass es genau das war, und zwar durch viel zu schnelles Herunterfahren der Hydrocortison-Dosis!

Als ich ziemlich fertig und 5 kg leichter die Klinik verließ, dachte ich, ich hätte das Gröbste hinter mir. Leider gefehlt! Zunächst ging es mir von Tag zu Tag besser. Gleich am Donnerstag ging ich zu meinem Hausarzt, um mir ein Rezept für das Hydrocortison zu holen. Der meinte, als er den Entlassungsbrief las: „Oh, 100 mg ist aber arg viel! Können Sie denn schlafen?“ Obwohl er wusste, dass ich schon vier Tage später einen Termin beim Endokrinologen haben würde, reduzierte er die Tagesdosis wieder auf 50 mg. Bis Montag verspürte ich dadurch keine Nachteile. Dann ging alles Schlag auf Schlag: am Nachmittag plötzlich Kopfschmerzen, die immer schlimmer wurden, dann Fieber, und als meine Frau heimkam, konnte ich nicht richtig sprechen – „Wortfindungsstörungen“ nennt man das wohl!
Ich rief stotternd auf meiner alten Station an und bekam einen Arzt an die Strippe, der mich kannte und mir „anbot“, mich anzusehen, wenn ich hinkam. Unter der 112 erkannte man nicht so recht die Dringlichkeit, sodass wir mit einem Taxi hinrasten. In der Notaufnahme verlässt mich meine Erinnerung. Es war Montagabend, der 27. Juni.

In einem Krankenzimmer der Intensivstation wachte ich auf. Es war hell, ich hatte eine dicke Narbe am Kopf und wieder allerlei Anschlüsse an mir. Ich erspare mir die Details: Es war Freitag, der 1. Juli, und ich war drei Tage lang zwischen Leben und Tod gewesen: „schwere postoperative Meningitis und Hydrocephalus Malrsorptivus“.

Der Bericht wird zu lang, daher wende ich mich den späteren Problemen im Zusammenhang mit den hormonellen Problemen zu (die Folgen der Meningitis haben mir noch lange zu schaffen gemacht, aber zum Glück scheine ich nichts dauerhaft zurückbehalten zu haben – auch kein lebenslang verbleibendes Shunt-System, wonach es zeitweise aussah); über diese ist, wie ich finde, im Netz doch erstaunlich wenig zu lesen.
Es ging nun darum, die Tagesdosis kleinen Schritten von 90 auf 30 zu reduzieren und dann die Hypophyse auf ihre Funktion zu testen. Letzten Endes fielen mir Schritte von 2,5 mg wöchentlich noch schwer genug! Diese unangenehmen „grippigen“ Begleiterscheinungen wie Frieren, Gelenk- und Muskelschmerzen etc. musste ich erst einmal richtig einordnen.

Im Dezember dann war ich bei 30 mg und kam für zwei Nächte stationär in die Endokrinologie, wo man einen Metopiron- und einige andere Tests machte. Danach sagte mir mein Endokrinologe, die ACTH-Achse würde wohl nicht so richtig funktionieren, da die Hypophyse bei der OP zu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sei, und ich müsse wohl auch in Zukunft Hydrocortison einnehmen. Als ich den Klinik-Bericht später selber las, fiel mir aber auf, dass ACTH durchaus ausgeschüttet worden, das Cortisol aber nicht angestiegen war. Ich fragte, ob das nicht darauf hinwies, dass jetzt eher die Nebennieren das Problem seien. „Da gibt’s nen Test“, meinte der Doc, und dann folgten zwei ACTH-Tests – zwei, weil der Arzt beim ersten noch annahm, das Labor müsse einen Fehler gemacht haben: Die Nebennieren hatten nämlich überhaupt nicht reagiert – so als hätte man mir „nur Kochsalzlösung injiziert“!

Jetzt scheint er etwas am Ende mit seinem Latein. Mein Cortisolspiegel ist (bei 27,5 mg Tagesdosis) laut Sammelurin im Rahmen, aber es scheint nicht so ganz klar, was jetzt noch das Problem ist. Ich lese immer wieder, die Normalisierung des Hormonhaushalts nach so einer OP könne „Monate, manchmal sogar Jahre“ dauern – dann wäre ich also immer noch in der Phase der „Erholung der Nebennierenfunktion“ und müsste weiter versuchen, die Dosis zu reduzieren, um die Dinger gewissermaßen anzuregen; davon rät mir mein Endokrinologe aber ab und meint, dafür wäre schon zu viel Zeit vergangen nach der OP. Bliebe die Möglichkeit, dass die Nebennieren nun eine irreparable Insuffizienz entwickelt haben, aber auch das hält er für unwahrscheinlich. „Bei Ihnen passt alles irgendwie nicht so richtig zusammen“, hat er bei unserem letzten Termin geseufzt. Ich soll weitermachen wie bisher und mich wieder stärker um die Therapie meiner Osteoporose kümmern (mit dem Bisphosphonat pausiere ich seit Anfang des Jahres).
Ich bin dankbar, dass ich das alles überlebt habe, dass ich laufen, sehen, hören, sprechen, arbeiten, sogar Sport machen kann – trotzdem käme ich gerne von dem Cortison runter, auch weil eine Hormonkrise ja immer irgendwie als Damoklesschwert über einem schwebt. Hat jemand eine Idee, was mir jetzt noch helfen könnte?

Lieber L.,

bei der Einnahme von Hydrokortison handelt es sich nicht um eine Kortisontherapie, sondern um eine Kortisonersatztherapie, d.h., Ziel ist nicht, auf Kortison verzichten zu können, sondern adäquat substituiert zu sein. Wenn die ACTH - Ausschüttung normal ist und der Cortisol-Spiegel ohne Medikament nicht steigt, liegt eine Nebenniereninsuffizienz vor, die behandelt werden muss. Da wir nicht wissen, wie lange die Nebenniereninsuffizienz bestand, kann man auch schlecht sagen, ob sie regenerabel ist. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, was man unterstützen kann durch gesunde Ernährung(Vit.B, Vit.C, Aminosäuren), genügend Schlaf, Vermeidung von übermäßigem Stress und leichtem Ausdauertraining. Unter regelmäßigen Blutkontrollen kann dann nach Rücksprache mit Ihren Ärzten der Cortisolspiegel und ACTH immer wieder gemessen und möglicherweise die Dosis langsam nach unten angepasst werden. In Stresssituationen muss man immer auf eine höhere Hydrokortisondosis zurückgreifen. Wir wären sehr interessiert am weiteren Verlauf und danken Ihnen herzlich für Ihren ausführlichen Bericht. Liebe Grüße

Ihr Biowellmed Team

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