Ein 7 jähriger, in der Entwicklung zurückgebliebener Junge, der unter Sprachstörungen leidet und viele Ängste und Verhaltensauffälligkeiten hat, kommt hin und wieder mit seiner Mutter in die Praxis. Er spielt dann im Untersuchungszimmer an irgendwelchen Gegenständen oder Geräten herum ohne von uns große Notiz zu nehmen und wehrt sich mit Händen und Füßen und viel Geschrei, wenn wir ihn untersuchen möchten. Eines Tages kommt die Mutter wieder einmal mit dem Kind zu uns und berichtet über häufiges Wasserlassen, Verstopfung und Juckreiz am After. Nur mit Mühe gelingt eine Untersuchung. Es findet sich ein mit Stuhl verschmierter After, sonst kein krankhafter Befund. Eine weiter führende Untersuchung ist wegen mangelnder Mitarbeit nicht möglich. So bestellen wir Mutter und Kind nach Empfehlung einer leichten Abführmaßnahme für den Jungen bald täglich wieder zu uns ein. Einmal gelingt es, den Jungen zur Abgabe von Urin zu veranlassen und es zeigt sich massiv Eiweiß im Urin, ein andermal versuchen wir nur, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Die Beschwerden beim Wasserlassen scheinen immer heftiger zu werden und als die Mutter berichtet, dass ihr Sohn große Mengen trinkt, bestimmen wir kurz und schmerzlos, jedoch nicht ohne Widerstand des Kindes den Blutzucker und stellen einen Wert von über 400 mg/dl fest. Wir weisen den Jungen daraufhin sofort in die Kinderklinik ein. Dort bestätigt sich die Diagnose einer Zuckerkrankheit. Der Junge bleibt mit seiner Mutter ca. 2 Wochen in der Klinik. Es ist nicht einfach, dem Jungen, der vor jeder Berührung und vor jedem medizinischen Gerät Angst hat, das Spritzen beizubringen, aber mit viel Geduld, vielen Gesprächen und unter Einbezug der Mutter gelingt dies den Klinikärzten. Inzwischen ist der Junge völlig selbständig in der Überwachung des Zuckers, spritzt sich selbst und wird nur von der Mutter und gelegentlich uns Ärzten überwacht. Er hat immer noch Angst, wenn er untersucht wird und muss überredet werden, wenn wir ihn impfen. Es gelingt uns jedoch in einer weit ruhigeren Atmosphäre und wird immer besser. Dieser Fall zeigt, dass es für Kinder, selbst für ängstliche Kinder, nicht so schwierig ist, mit einer Zuckerkrankheit umzugehen. Vermutlich ist es sogar für uns Erwachsene schwieriger, mit der Situation fertig zu werden. Dies sollte betroffenen Eltern Mut machen.
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