Eine 35 jährige Frau kommt in die Praxis, weil sie unter ihrem Zustand sehr leidet. Sie sei in den letzten 2 Tagen in einem so tiefen Loch gewesen, dass sie sich überlegt habe, von einer Brücke zu springen. Einen derartigen Zustand habe sie zuletzt im Wochenbett gehabt. Man habe damals eine Wochenbettdepression diagnostiziert. Die Patientin ist mir gut bekannt. Sie hat 3 kleine Kinder, deshalb ihre Stelle als Beamte im gehobenen Dienst pausiert. Ihr Mann ist viel beruflich unterwegs, deshalb bleibt das meiste zu Hause an ihr hängen. Die früher sportliche und trainierte Frau wirkt jetzt eher müde und abgespannt. Sie erzählt mir, dass sie innerhalb von 1 Monat 6 Kilogramm Gewicht zugelegt habe, obwohl sie gegessen habe wie immer. Sie habe dann eine 10 Tage andauernde Fastenkur eingelegt und gerade mal 2 Kilogramm abgenommen. Sie sei ganz unglücklich über ihr Gewicht. Sie bemerke verstärkten Haarausfall, Müdigkeit, Lustlosigkeit, sie habe vor 2 Tagen eine Zwischenblutung gehabt, jetzt beginne gerade ihre normale Menstruationsblutung, seither habe sie auch den Eindruck, dass es ihr seelisch etwas besser gehe. Auf die Frage, wie viel sie täglich schlafe antwortet sie mir, dass ihr Schlaf seit 2 Jahren wegen der Kinder, die nachts noch aufwachen, fast immer unterbrochen sei und sie zunehmend Probleme habe, wieder einzuschlafen. Sie habe jedoch das Gefühl, dass ihr das gar nicht mehr so viel ausmache. Nachdem wir die Möglichkeiten erörtert haben, wie das Schlafproblem zu lösen sei, stellen wir fest, dass es keine Lösung gibt, die für die Patientin akzeptabel ist. Deshalb einigen wir uns zumindest auf einen vorübergehenden Kompromiss. Die Kinder schlafen für 2 Nächte bei der Mutter und die Patientin mal wieder durch. Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich nichts Besonderes außer der Erschöpfung und dem schütteren Haar. Die Blutuntersuchung ergibt keine Besonderheit, insbesondere lässt sich zum Zeitpunkt der Blutabnahme weder eine Störung der Hormone (einschließlich Schilddrüsenhormone), noch sonst etwas Krankhaftes nachweisen. Die Patientin fühlt sich auch nach Eintritt der Periode bedeutend besser und meint, dass sie nach 2 Nächten Schlaf wieder fit sei und erkannt habe, dass sie etwas mehr für sich und ihren Körper tun müsse. Wir einigen uns darauf, dass sie ab und zu eine „Nachtwache“ ihrem Mann überlässt und ein Kombinationsprogramm beginnt, das täglich frische Luft einschließt, was ja auch den Kindern entgegen kommt und abwechselnd Sport oder Entspannung ( in ihrem Fall Schwimmen und Sauna) 1 Mal pro Woche. Obwohl sich in der Blutuntersuchung keine Hormonstörung mehr zeigte, wies bereits die Zwischenblutung darauf hin, dass eine Regulationsstörung vorhanden war. Dies ist auch nicht verwunderlich bei einem Schlafdefizit, das über längere Zeit der Patientin die Tiefschlafphasen (REM-Schlaf) raubte. Die in diesem geschwächten Zustand angeschlossene Fastenkur war sicher nicht sinnvoll und verstärkte die Problematik. Die Patientin wird jetzt noch ihre Spurenelemente bestimmen lassen, damit wir sie bei einem vermutlich vorliegenden Mangel medikamentös unterstützen können und wird versuchen, ihre Lebenskraft zu schützen. Schließlich möchte sie noch lange für ihre Kinder da sein und ihre Energie nicht gleich in den ersten Lebensjahren der Kinder vergeuden. Sie hat verstanden, dass unser Energiepotential nicht unbegrenzt ist und es nichts mit Heldentum zu tun hat, wenn wir ständig über unsere Kräfte leben.
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