Ein etwas über 70 Jahre altes Ehepaar kommt regelmäßig zu mir in die Sprechstunde. Der Mann, ein vor Jahren stattlicher Herr, hatte früher auf dem Bau gearbeitet und regelmäßig große Mengen Alkohol getrunken. Als er berentet wurde, hörte er problemlos und ohne äußeren Zwang mit dem Trinken auf. Ich kenne ihn seit jeher als eher ruhigen, zufriedenen Menschen. Er sprach nie sehr viel, wir unterhielten uns jedoch stets über für ihn wichtige Dinge. Er hatte durch den Alkohol seine Leber geschädigt. Die Leberwerte waren erhöht und die Leber hatte sich knotig zu einer Zirrhose umgebaut. Er hatte keine körperlichen Beschwerden und das Organ Leber erfüllte noch ausreichend seine Arbeit, um den Körper zu erhalten. Mit den Jahren fiel jedoch auf, dass er immer gesprächsarmer wurde und zunehmend seine Frau für ihn sprach und seine Beschwerden vortrug. Inzwischen ist der Patient geistig verarmt. Er kann nicht mehr für sich alleine sorgen, sondern braucht eine "rund um die Uhr Betreuung". Ohne seine Frau findet er sich überhaupt nicht mehr zurecht. Er würde nicht einmal mehr den Weg nach Hause finden. Er kann mir nur noch mit kurzen Sätzen antworten. Körperlich hat er sehr stark abgebaut. Er wiegt ca. 10 kg weniger(früher hatte er immer Normalgewicht), da er zum Essen fast gezwungen werden muss und sehr langsam isst, so dass er nur noch einen Bruchteil der früheren Essensmenge bewältigt. Seine Muskulatur schwindet zunehmend, da er sich fast nicht mehr bewegt. Seine Frau nimmt ihn zwar täglich zu einem Spaziergang mit. Dies wird jedoch auch zunehmend beschwerlicher. Seinen Darm und seine Blase hat er nicht mehr unter Kontrolle. Er muss Windelhosen tragen. Durch den Bewegungsmangel leidet er unter Rückenschmerzen und an Verstopfung.
Was können wir daraus lernen?
Auch ein Mensch, der seine Sucht beherrschen lernt und seinen Körper durch das Suchtverhalten noch nicht zerstört hat, kann noch Jahre später unter schweren Folgen leiden, die sich nicht mehr behandeln lassen.