In der Normalbevölkerung treten chronische Schmerzen bei 2 – 48 % der Patienten auf, bei Prädialysepatienten bei 50 % und bei Dialysepatienten bei 60 – 70 %. Meistens handelt es sich hierbei um muskuloskelettale(ca. 60 %), polyneuropathische(ca. 15 %) oder peripher vaskulären(ca. 10 %) Schmerzen. Die Schmerzbehandlung bei Nierenkranken ist besonders schwierig, da viele Faktoren bedacht werden müssen, insbesondere setzt sie eine gute Kenntnis der Schmerzmedikamente voraus.
Während akute Schmerzen eine Warn- oder Schutzfunktion haben(z.B. bei einer Verletzung oder Entzündung) und der Schmerz bei Beseitigung des Auslösers verschwindet, ist dies bei chronischen Schmerzen nicht der Fall. Bei diesen bleibt oft der chronische Schmerzreiz bestehen ohne physiologische Funktion, d.h., er dient dem Menschen nicht mehr als Warnung oder zum Schutz. Chronische Schmerzen betreffen den ganzen Menschen in seiner körperlichen, seelischen und geistigen Einheit. Man unterscheidet nozizeptive Schmerzen, die aufgrund einer mechanischen, thermischen, chemischen oder elektrischen Reizung zur Gewebsschädigung führen. Durch Schmerzrezeptoren(Nozizeptoren) wird der Schmerzreiz aufgenommen und über Nervenfasen an das Gehirn weitergeleitet. Bei neuropathischen Schmerzen hingegen sind die Nervenbahnen selbst geschädigt, d.h., es kommt zu einer fehlerhaften Schmerzleitung und Schmerzverarbeitung. Dauert ein akuter Schmerz länger an, kommt es zu Veränderungen in den Schmerzrezeptoren, Nervenbahnen und im Gehirn und der Schmerz führt zur Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses. Dadurch wird die Schmerzschwelle gesenkt und der Schmerz wird zunehmend stärker empfunden. Dies wiederum schränkt die Schmerzrückbildung ein. Daher muss es ein Anliegen in der Medizin sein, die Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses möglichst zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Dies kann nur durch eine adäquate Schmerztherapie erreicht werden.
Bei Nierenkranken ist es wichtig, Medikamente zu wählen, die möglichst nicht giftig für die Niere sind und die Nierenfunktion nicht weiter schädigen, die eine Akkumulation des Medikamentes verhindern und die im Stadium der Dialyse dialysierbar sind. Zudem muss vor allem bei älteren Menschen darauf geachtet werden, dass die Medikamente auch von den anderen Organen gut vertragen werden und möglichst die Nebenwirkungen überschaubar bleiben. Bei der Dosisfindung muss berücksichtigt werden, ob die Dosis bei Niereninsuffizienz angepasst werden muss und ob die Medikamente einen Ceiling – Effekt aufweisen(eine Dosissteigerung bringt keine weitere analgetische Wirkung).
Bei chronischen Schmerzen ist es sinnvoll, Darreichungsformen zu bevorzugen, die eine gleichmäßige und lang anhaltende Wirkung haben. Hiermit wird(vor allem bei Opioiden) das Suchtproblem reduziert und insgesamt eine niedrigere Dosis erreicht. Bei Polypharmakotherapie wie sie im Alter oft erforderlich ist, sind auch die Wechselwirkungen der einzelnen Substanzen zu beachten. Hier ist auch die Frage von Bedeutung, ob ein Medikament Einfluss auf die Cyp – Verstoffwechselung hat. Wie bei Nicht – Nierenkranken auch, sollte auch bei Nierenkranken ein Schmerz – Stufenschema eingehalten werden, das jedoch eventuell individuell vom Arzt angepasst werden muss. Zunächst stehen für Nierenkranke die Substanzen Paracetamol, Novaminsulfon und Flupirtin zur Verfügung, die jedoch in Dosis und Dosisintervall je nach Nierenschädigung angepasst werden müssen. Hingegen sollten NSAR und Coxibe nur kurzfristig(8-10 Tage) verwendet werden und ebenfalls dosisangepasst, da sie zu allergischen und toxischen Nierenschädigungen(interstitielle Nephritis, Analgetikanephropathie) führen. Für stärkere Schmerzen eignen sich in Stufe II des Stufenschemas Tilidin/Naloxon, bei dem eine Dosisanpassung notwendig und die Nichtdialysierbarkeit sowie Ceiling – Effekt(600 mg) zu beachten sind und Tramadol(Ceiling – Effekt wie oben, Akkumulation bei Niereninsuffizienz muss beachtet werden und nur 7 % dialysierbar innerhalb 4 Stunden).
In Stufe 3 eignet sich vor allem Hydromorphon, das ebenfalls bei Niereninsuffizienz in der Dosis reduziert werden muss und bei der Dialyse um ca. 40 % reduziert wird, so dass Bedarfsmedikationen notwendig werden und Fentanyl, das nur gering dialysierbar ist. Buprenorphin, Oxycodon und Morphin sind nicht geeignet, da sie u.a. schwere zentralnervöse Nebenwirkungen und Atemdepression nach sich ziehen können. Es kann sinnvoll sein, die Analgetika durch andere Substanzen zu ergänzen wie z.B. Serotonin, Amitryptilin oder Gabapentin, da sie ergänzend wirken wie z. B. bei polyneuropathischen Schmerzen. Schmerzen, die andere Ursachen haben wie Kopfschmerzen, psychosomatische Schmerzen, attackenartige Schmerzen oder krampfartige Schmerzen sollten nicht in dieser Weise behandelt werden, sondern benötigen ein anderes Therapiekonzept.
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