Ein 80 jähriger Mann, den wir schon seit 20 Jahren kennen, kommt zu uns in die Praxis. Er gehört zu den Menschen, die nicht viel reden und still erdulden. Schon lange sagt er uns, dass es ihm nicht so blendend gehe, kann jedoch keine direkten Beschwerden schildern. Seine Lebensgeschichte, in Verbindung mit seiner Charakterstruktur, lässt an eine Depression denken, so dass nach Untersuchung und Blutabnahme zunächst keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden. Er scheint uns verlangsamt und schläfrig und wir haben den Eindruck, dass dies im Laufe der Jahre zunimmt, führen das jedoch zunächst auf sein zunehmendes Alter zurück. Als er wieder einmal kommt und meint, es sei ihm einfach nicht wohl und er leide unter Schwindel, untersuchen wir nochmals sein Blut und finden eine deutlich erhöhte Blutsenkung. Er wird zum Hämatologen weiter geschickt, der nach einigen Wochen die Diagnose Multiples Myelom Stadium I liefert, nachdem der Patient untersucht und eine Beckenkammbiopsie durchgeführt wurde. Man findet keinen Hinweis auf Bence-Jones-Proteine im Urin und keinen Nachweis einer Knochenläsion. Schwindel und Schläfrigkeit lassen sich erklären durch die erhöhte Blutviskosität des Serums infolge der Bildung krankhafter Immunglobuline. Da der Patient einen normalen Hämoglobinspiegel aufweist und Serum-Kalzium sowie Gesamteiweiß normal sind, können wir ihn nur alle 3 Monate überwachen und Bluttests vornehmen und hoffen, dass die Krankheit noch lange stabil bleibt. Bei einer Aktivitätszunahme müsste dann eine Chemotherapie eingeleitet werden.