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Arbeitsalltag

Es ist 6.45 Uhr und ich mache mich auf den Weg. Mein erster Gang führt mich in ein Altersheim.
Ich betreue dort einen 90 jährigen Patienten, der gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hat.
Dabei treffe ich einen Patienten an ,der nur noch ganz schwach auf Fragen mit „ja“ oder „nein“ reagiert. Ich bespreche mit den Schwestern die Pflege und die Versorgung und fahre schnell weiter.
Anschließend besuche ich eine 80jährige Patientin, die an Parkinson-Krankheit und einer schweren Osteoporose leidet und Probleme mit der Bewegung hat, sehr gebückt läuft und sich zunehmend schwächer fühlt Ich bespreche mit ihr, was wir außer den schulmedizinischen Medikamenten an aufbauenden Maßnahmen unternehmen können.
Es ist inzwischen 7.30 Uhr und ich bin im nächstgelegen Ort, wo ich eine Patientin aufsuche, die in der Vorgeschichte eine Tuberkulose hat mit schwerem Wirbelsäulen- und Knochenbefall. Sie kann nur sehr mühsam an einem Rollator gehen.Sie lebt allein und ist sowohl was ihre Krankheit anbelangt, als auch auf Grund ihres Alters und der allgemeinen Gebrechlichkeit kaum mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen Sie ist völlig überfordert.
Ich habe Mühe, der Patientin meine Anweisungen mitzuteilen denn sie lebt in ihrer eigenen geistigen Welt, die nicht mehr viel mit der mir vertrauten Realität gemeinsam hat. Sie erzählt mir von ihren eigenen Problemen und ist kaum in der Lage, mir zuzuhören und meine Worte geistig zu verarbeiten.
Anschließend führe ich mal wieder eine Diskussion über die Zuzahlung bei Arzneimitteln und schaue mir ein Gebiss an, das nicht mehr sitzt und verweise an den Zahnarzt.
Bei meiner nächsten Patientin, die alleine lebt, über 80 Jahre alt ist und seit einem Sturz Schmerzen in verschiedenen Körperteilen nach mehreren Knochenbrüchen hat, bespreche ich die Schmerztherapie und das weitere Vorgehen..
Dann komme ich zu einer schwerst krebskranken Patientin, die stark abgenommen hat und nicht mehr essen kann. Alles schmeckt bitter, sie ist so schwach, dass sie das Essen nicht mehr zubereiten und die Hausarbeit nicht mehr verrichten kann.Mit den wenigen Möglichkeiten, die mir bleiben, versuche ich der Patientin zu helfen und sie aufzumuntern.

Es ist tiefer Winter, es ist frostig kalt und die Schneehügel säumen beidseits die Strassen . Jetzt kommt langsam die Sonne heraus und alles glitzert in wunderschönen Farben Ich sehe mich konfrontiert mit den beiden Extremen – hier eine wunderschöne Welt, in der wir leben, deren Schönheit wir bewundern, die Pläne für den nächsten schönen freien Tag, die Traüme von Bewegung im Freien und dort der Schmerz eines Schwerkranken und das Wissen um das Abschiednehmen.
Doch zum Nachdenken bleibt keine Zeit. Nun komme ich zu einem Patienten, der eine Lungenembolie erlitten hat und heute aus dem Krankenhaus entlassen wurde und auf ein blutverdünnendes Mittel eingestellt werden und über die Gefahren aufgeklärt werden muß.Ich bin froh, dass es ihm wieder gut geht.

Die Zeit drängt, ich hab noch viel zu tun, bin sehr in Eile, aber hier und dort muss doch ein Schwätzchen sein. Die Menschen kennen mich, sprechen mich auf der Strasse an und ich möchte doch ein paar Worte wechseln,würde manchmal auch gerne auf ein paar Minuten verweilen.
Während ich gerade bei einem Patienten die Utensilien zur Blutabnahme aus dem Auto hole, klingelt das Handy. Ein nächster Hausbesuch wird verlangt und ich weiß noch nicht richtig, wie ich das heute noch bewerkstelligen soll. Um 14:00 Uhr ist wieder Praxisbetrieb, ich muss hetzen, um das alles zeitlich unterzubringen .
Inzwischen habe ich eine Patientin untersucht, die vor ein paar Jahren einen Herzinfarkt hatte und nun plötzlich starke Schmerzen in der Nacht bekam. Ich überrede sie, sich nächste Woche ins Krankenhaus zu begeben, um nachschauen zu lassen. Diese Woche ist nicht möglich, da sie Handwerker im Haus hat. Manchmal ist es nicht einfach, einem Menschen begreiflich zu machen, dass der Alltag eventuell weichen muss vor einer Krankheit.

Jetzt bin ich auf dem Weg zu einer praktisch bettlägerigen Patientin, die offene Beine hat und von einer Sozialschwester versorgt wird.
Anschließend geht es weiter zu einer Patientin, die unter einem Morbus Alzheimer leidet. Sie redet, ist unruhig, läuft umher. DieSteuerungszentrale, das Gehirn, kann sie nicht mehr so benützen, dass sie sich allein zurechtfindet. Sie wird von einer Pflegerin rund um die Uhr betreut. Diese hat es auch nicht leicht, kann kaum Außenkontakte pflegen und verbringt den ganzen Tag mit der behinderten Frau und ihren Gedanken. Die Patientin ist relativ wohlhabend, hat ein wunderschönes Haus, eine schöne Katze und sitzt in der Sonne,wenn ich komme. Es macht mich schon ein bisschen traurig, dass sie all diese Dinge nicht mehr richtig wahrnehmen und genießen kann.
Mein nächster Weg führt mich zu einem älteren Ehepaar. Er war dem Alkohol früher nicht abgeneigt und leidet an den Folgen eine Kriegsverletzung am Fuß, sitzt praktisch den ganzen Tag auf dem Sofa, ist deshalb auch übergewichtig und völlig unbeweglich. Das Ehepaar ist sehr freundlich und lebt trotz der Einschränkungen zufrieden.
Inzwischen ist es 10.30 Uhr und ich schaue betroffen auf die Uhr, weil ich weiß, dass die Zeit davonläuft und knapp wird.
Mein nächster Patient ist ein schwer Herz- und Zucker kranker, viel zu übergewichtiger Mann, der schon eine Zehe durch seine Zuckerkrankheit verloren hat. Er bewegt sich kaum, isst für sein Leben gerne und feilscht mit mir heute mal wieder bei zu hohem Zucker um den Verzehr von .Trauben. Ich muss ihm sagen, dass er Trauben nur essen darf, wenn er sich zumindest ein paar Schritte bewegt.
Anschließend fahre ich zu einer alleinlebenden Frau, die durch ihre schwere Gartenarbeit- sie hat jahrelang einen großen Garten versorgt und sich überwiegend davon ernährt- völlig gebückt geht. Ihre Knie sind schwer deformiert aufgrund einer starken Arthrose. Sie hat starke O-Beine und kann nicht begreifen, dass ihre Schmerzen in ihren Knochen nicht besser werden.
Sie versteht nicht, dass ihr Körper sich nicht so verhält, wie sie sich fühlt. Ihrem Gefühl nach ist sie keine 80 Jahre alt.
Daraufhin gehe ich zu einer fast unbeweglichen, sehr depressiven Patientin, die unter einer schweren Herzschwäche leidet, starke eigentlich zu operierende Hüftarthrosen und Probleme mit der Verträglichkeit von Medikamenten hat, so dass ich ihr nur wenig an schmerzlindernden Substanzen geben kann. Sie sitzt fast den ganzen Tag über auf ihrem Stuhl und ihr Hauptgedanke beschäftigt sich mit dem Essen und der Zubereitung von Speisen und damit, gerade mal eben noch ihren kleinen Haushalt einigermaßen zu versorgen.
Inzwischen ist es fast 12 Uhr und ich weiß, dass ich fast bei Jedem die wichtigsten Probleme besprochen habe. Manche Patienten bringen, wenn ich in der Haustüre stehe noch einen Wunsch oder noch ein Problem hervor und ich bin dann innerlich schon etwas gereizt, weil ich weiß, dass ich diese Probleme zum größten Teil nicht lösen kann, wenn es z.B. darum geht, eine Patientin zu einem Facharzt in der nächst größeren Stadt zu bringen und sie sich weder vorstellen kann, ein Taxi zu nehmen, aber auch niemanden hat, der sie fahren kann.
So muß ich mich zum Teil mit vielen sozialen Belangen abgeben, die letztendlich weder honoriert werden, noch im Eigentlichen meine Aufgabe sind. Die Familien kümmern sich zum Teil zu wenig darum, oder die alten Patienten haben niemanden mehr, beziehungsweise scheuen sich auch oft ,ihre Familien darum zu bitten.
Heute kontrolliere ich noch einmal einen Patienten von letzter Woche, der auf das Gesicht gefallen war. Anschließend muß ich noch zu einem akut Erkrankten, der an Morbus Alzheimer leidet und nicht mehr in der Lage ist, irgend etwas selbst zu entscheiden oder gar sich zu versorgen. Dieser Patient muß vollständig von seiner Frau gepflegt und betreut werden. Seine einzige Kommunikation ist das Wort „ja“.
Es ist kurz vor 13 Uhr und ich bin auf dem Weg in Richtung Praxis, habe gerade so knapp mein Hausbesuchsprogramm geschafft mit dem Glück, keine gravierenden und außergewöhnlichen Notfälle versorgen zu müssen.
Die Sonne scheint herrlich und ich hätte Lust, ein paar Minuten in der Sonne zu liegen und durchzuatmen, meine Tochter von der Schule abzuholen, die sich wieder einmal ihr Mittagessen alleine kochen muß. Ich habe gerade im Radio einen Bericht gehört, was in meiner Jugendzeit topaktuell war und denke über meine Ideen über das Leben von damals Aber darüber nach zu denken, bleibt mir nicht viel Zeit,, denn ich werde jetzt in der Praxis erwartet. Es ist sicher einiges liegen geblieben im Laufe des Vormittags, das ich rasch erledigen muss, wenn in einer Stunde die Patienten zu ihren Terminen kommen.
Mein Mittagessen bestand heute aus einem Apfel und zwei Müsliriegeln, die ich unterwegs während der Autofahrt vertilgt habe..
Es ist 19.30 Uhr und ich hatte jetzt den ganzen Nachmittag einen Termin nach dem anderen und bin froh, dass ich erst mal heimfahren darf, obwohl natürlich ein Stück Arbeit mit nach Hause fährt.
Gar nicht auszudenken, wie es wäre, den Abend einfach einmal so zu genießen ohne etwas für die Praxis tun zu müssen.
Mir gehen Überlegungen durch den Kopf, dass ein Rechtsanwalt heute 300,-€ pro Stunde verlangt. Ich kann es fast nicht ausrechnen, was das bedeuten würde, wenn ich den gleichen Stundensatz hätte.
Das Recht scheint mehr wert zu sein als die menschliche Existenz. Die Möglichkeit, eventuell einen Prozess zu gewinnen, sei es jetzt im Bereich des Arbeitsrechtes oder sonstiges, mit im Prinzip überwiegend finaziellen Interessen, haben für die Menschen mehr Bedeutung gewonnen als Gesund sein, als eine Beratung für den eigenen Körper, die eigene Seele, oder die eigene mentale Entwicklung.
Manchmal frage ich mich wirklich, wie unsere Gesellschaft sich weiterentwickeln wird. Ganz sicher bleiben zunehmend menschliche Themen auf der Strecke. Wir sehen dies in vielen Bereichen unseres Lebens.
Angefangen von unserer Umweltproblematik bis hin zu der Tatsache, dass sich kaum mehr Menschen finden, die spontan irgendwo Hilfe leisten.

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